09.12.2020

Ein Grund für die Ausbaufähigkeit der Mobilfunknetze in Deutschland ist der, dass es oft noch an Anstrengungen für eine gemeinsame Infrastruktur mangelt. Wir von Axians sind dabei, das zu ändern und haben in Neu-Ulm die Antennen und Systemtechnik der führenden Betreiber auf einem Dach vereint.

Wie sich schon beim Aufbau von 3G/UMTS gezeigt hat, sind die Betreiber in Deutschland nicht verpflichtet zusammenzuarbeiten, um den flächendeckenden Netzausbau voranzutreiben. Jeder von ihnen kochte praktisch sein eigenes Süppchen, um in lukrativen Regionen für eine bestmögliche Infrastruktur zu sorgen. Auch daher sind einige Dörfer und Landkreise immer noch ein einziges Funkloch.

Ein verpflichtendes National Roaming, wie von Experten im Vorfeld der 5G-Auktion gefordert, wäre die Lösung gewesen. Die Bundesnetzagentur konnte sich immerhin dazu durchringen, die 5G-Lizenzen mit der Empfehlung für ein regionales Roaming zu versteigern. Somit wird die Notwendigkeit für die Netzbetreiber, gemeinsame Sendestandorte zu etablieren verstärkt.

Hohe Funkzellendichte schreit nach gemeinsamen Anstrengungen

Tatsächlich gibt es schon einige wegweisende Projekte, bei denen Mobilfunkanbieter für den Aufbau der Netze für 5G und weiteren Ausbau von 4G+ zusammenarbeiten. Eines davon haben wir von Axians GA Netztechnik in Neu-Ulm unterstützt.

Das Problem ist, dass 5G und 4G+ als neuester LTE-Standard mit theoretisch 450 statt 150 Mbit/s Download-Geschwindigkeit eine sehr hohe Funkzellendichte benötigt. Das betrifft vor allem die in Deutschland von der Telekom, Vodafone, der o2-Mutter Telefónica und 1&1 Drillisch ersteigerten Frequenzen, die meisten davon im 3,6-GHz-Band. Je höher die Frequenzen, desto höher der Datendurchsatz, desto geringer ist jedoch die Reichweite, desto mehr Antennen müssen je nach Leistung installiert werden. Das ist reine Physik.

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Je höher die Frequenzen sind, desto mehr Antennen müssen installiert werden. Quelle: Axians GA Netztechnik

Je größer die Anzahl der benötigten Antennen, desto mehr sehen wir uns aber auch dem Widerstand in der Bevölkerung ausgesetzt. Dieser lässt sich nicht einfach wegwischen, auch wenn die vorgetragenen Bedenken noch so unbegründet sein mögen. Schon von daher ist es sinnvoll, die Anstrengungen für den Aufbau der 4G- und 5G-Infrastruktur, wie wir es in Neu-Ulm gemacht haben, in größeren Dachaufbauten zu bündeln. Als Leiter der Business-Unit Vodafone bei Axians GA Netztechnik habe ich das Projekt die ganze Zeit begleitet und darf mit Stolz sagen, dass wir dort die Infrastruktur aller drei großen Betreiber erfolgreich zusammengebracht haben, um im Stadtteil Ludwigsfeld circa 12.000 Einwohner plus das angrenzende Industriegebiet und die ratiopharm arena zu versorgen.

Das Projekt in Neu-Ulm im Überblick

Angefangen hat alles 2014 mit einer Anfrage von Vodafone zum temporären Umbau der bestehenden Anlage wegen einer Dachsanierung. Die Planprüfung hatte damals ergeben, dass die Standsicherheit nicht gewährleistet ist, da rund 20 Antennenträger bereits auf dem Dach in dem ehemaligen Kasernengebiet installiert waren. Weil alle großen Betreiber dort versammelt waren, wurde eine gemeinsame Lösung angestrebt. Die hat sich allerdings durch die Konsolidierung von E-Plus und O2 bei Telefónica verzögert. Telekom-seitig hat sich die Deutsche Funkturm (DFMG) dem Vorhaben angeschlossen.

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Der Eigentümer und die drei großen Betreiber hatten sich auf eine zukunftsfähige Lösung mit Blick auf 5G geeinigt. Für die Planung und die Statik in der heutigen Form hat schließlich die P&K Bau Consulting aus Ahrensburg, wie wir eine Axians-Tochter, verantwortlich gezeichnet. Das eigentliche Bauvorhaben unter der Federführung von TEF (Telefónica) hat aber meine BU realisiert. Davor war es nötig gewesen, sich mit den Firmen abzustimmen, die für die Dachsanierung verantwortlich waren. Folglich wurden verschiedene Bauabschnitte definiert, aber immer unter der Prämisse, dass die bestehenden Systeme aller Netzbetreiber in Betrieb zu bleiben hatten.

Nach 15 Monaten Bauzeit standen schließlich die Infrastruktur, die Strom- und Netzanbindung für 5G. Die Realisierung der aktiven Antennen musste aber teilweise noch warten, was an den fehlenden Verfügbarkeiten lag. Als Tochtergesellschaft von Vinci Energies und dem französischen Bauriesen Vinci sind wir Gott sei Dank leistungsstark genug, um solche Projekte vorfinanzieren zu können. Denn bei den Baukosten von 420.000 Euro wären andere Generalunternehmer möglicherweise in die Knie gegangen.

17 t Stahl, 52 Antennen und 600 m Antennenkabel

Insgesamt haben wir auf dem Dach schließlich 17 Tonnen Stahl, 15 Mobilfunkantennen, 37 Richtfunkantennen und 600 m Antennenkabel verbaut sowie 30 m Geländer für die Arbeitssicherheit.

Mangels eigener Leitungen hatten Telefónica und Vodafone ihre Mobilfunkstandorte immer per Richtfunk angebunden. Durch die Höhe von 56 m und die freie Lage bot sich der Dachstandort in Neu-Ulm ideal als Sammelstation an. Die Weiterleitung erfolgt per Lichtwellenleiter (LWL) zur nächsten Instanz, dem BSC/RNC (Base Station Controller und Radio Network Controller).

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Der Dachstandort in Neu-Ulm ist durch seine Höhe und freie Lage der ideale Platz für eine solche Sammelstation. Quelle: Axians GA Netztechnik

Fazit: Nach meinen Erfahrungen in Neu-Ulm lautet mein Resümee, dass wir mehr solcher Gemeinschaftsprojekte brauchen auf dem Weg zu wirklich flächendeckender 4G- und 5G-Versorgung. Diese wäre wiederum Voraussetzung dafür, dass eines Tages vielleicht Millionen von Autos autonom durch die Bundesrepublik und weit darüber hinaus fahren. Das ist die Verbraucherseite, viel wichtiger ist aber das Anbinden von Unternehmen, darunter auch die Landwirtschaft, die mit Farming 4.0 zwar teilweise schon sehr weit ist, was die Automatisierung und Überwachung der Nutzflächen betreffen, sich dahingehend aber vielfach noch ausgebremst sieht. Denn was nützt die beste Technik, wenn ein riesiges Funkloch über Acker den Zugang dazu verbaut? Außerdem beugen solche Gemeinschaftsprojekte auch einer Flut von Protesten entgegen, die durch viele kleinere Anlagen das Tempo des Netzausbaus verlangsamen könnten. Schließlich brauchen die Eigner und die Netzbetreiber dafür aber auch starke Partner wie uns, denn oft scheitern solche Projekte schon an der Vorfinanzierung, vom fehlenden Knowhow und Erfahrungsvorsprung einer Axians ganz abgesehen.

Quelle Titelbild: Axians GA Netztechnik

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