18.09.2020

Seit vielen Jahren wird die Mitarbeiterführung als Königsdisziplin für das Funktionieren von Organisationen beschworen. Mit dem Corona-bedingten Arbeiten von zuhause müssen Führungskräfte zeigen, wie gut sie wirklich loslassen können.

Ab März 2020 mit Beginn der Corona-Krise ging plötzlich alles ganz schnell: Von heute auf morgen arbeiteten Millionen Deutsche im Homeoffice. Was vorher oft aus technischen oder organisatorischen Gründen nicht machbar schien, ging nun plötzlich ruck-zuck.

Zwar fand die Arbeit aus dem Homeoffice je nach Industrie in unterschiedlicher Ausprägung statt, zudem wechselten laut Universität Mannheim auch längst nicht so viele Menschen an den heimischen Schreibtisch, wie mitunter angenommen. Dennoch: unterm Strich kann man durchaus von einem echten Siegeszug des Homeoffice in der Arbeitswelt sprechen. Was auf den ersten Blick technisch meist einfach wirkt, ist zwischenmenschlich häufig nicht ganz unproblematisch. Daher ist die entscheidende Frage: Wie stellt sich die Führung darauf ein, dass die Mitarbeiter künftig nicht mehr gemeinsam am Besprechungstisch oder in der Kantine sitzen, sondern sich von überall aus einloggen können? Und damit aus dem eigenen Sichtbereich verschwinden? Denn eines steht aus Sicht vieler Branchenexperten heute schon fest: Eine vollständige Rückkehr zur Präsenzkultur kann sich kaum jemand mehr vorstellen.

Die Herausforderung: Führung auf Distanz

Tatsächlich stellt die „Führung auf Distanz“ eine ganz besondere Herausforderung dar. Laut einer aktuellen Befragung des Personaldienstleisters Hays unter rund 750 Führungskräften haben die Befragten insbesondere die fehlende persönliche und räumliche Nähe zu ihren Mitarbeitern als irritierend empfunden. Denn ob sich ein Mitarbeiter bei der Arbeit im Homeoffice eher unwohl fühlt oder an schwierigen Themen verzweifelt, erkennt der Vorgesetzte, der jetzt nicht mehr im selben Gebäude sitzt, vermutlich nicht mehr so schnell bzw. kann dem nicht mehr so leicht entgegenwirken. Im gemeinsamen Büro konnte man dazu schließlich kurz bei einer Tasse Kaffee sprechen und das Problem gemeinsam lösen.

Im Homeoffice geht das nur, wenn die Führungskraft bereit dazu ist, sich künftig häufiger mit den Themen der Mitarbeiter zu beschäftigen. Dessen sind sich auch 87 Prozent der Befragten sicher.  Wem es dann noch gelingt, die richtige Balance zwischen fachlichen und persönlichen Anliegen zu finden, dem dürfte ein großer Vertrauensbonus seitens des Mitarbeiters sicher sein. Aber der Tag hat nur 24 Stunden und die kann eine Führungskraft beim besten Willen nicht nur mit der Mitarbeiterkommunikation verbringen. Da hilft nur, seinen Beschäftigten zu vertrauen und ihnen mehr Verantwortung zu übertragen als bisher. Denn nur dann sind sie in der Lage, eigenständig Entscheidungen zu treffen bzw. sich mit den Konsequenzen auseinanderzusetzen. Für viele Führungskräfte liegt genau hier der kritische Punkt.

Knapp 80 Prozent der Führungskräfte goutieren Homeoffice

Einerseits laden die neuen dezentralen Arbeitsstrukturen dazu ein, Mitarbeitern mehr Spielräume zu geben, um selbst zu entscheiden und entsprechende Ergebnisse herbeizuführen. Andererseits haben viele Bosse noch Probleme, sich wirklich auf diese neue Arbeitsweise einzulassen. Dreiviertel aller befragten Führungskräfte aus der Hays-Studie waren auch entsprechend überrascht, wie gut ihre Mitarbeiter in der Lage sind, selbständig und ohne permanente Kontrolle ihre Arbeit erledigen können.

Herausforderungen für Führungskräfte
Herausforderungen für Führungskräfte. Quelle: Hays Studie "ANPASSUNG AN EINE NEUE NORMALITÄT".

Konkret heißt das, 79 Prozent der Führungskräfte haben es positiv goutiert, wie gut das Arbeiten vom heimischen Schreibtisch funktioniert. Mehr noch: viele von ihnen haben sogar deutlich mehr geleistet, als es von ihnen erwartet wurde. Interessanterweise urteilten bei der Einschätzung zur Selbständigkeit der Mitarbeiter besonders die Frauen in Leitungspositionen, dass die Mitarbeiter mehr geleistet hatten und eigenständiger seien.

Vor dem Hintergrund dieser Erfahrungen überdenken viele Vorgesetzte aktuell ihre Führungspraktiken grundlegend. Für 74 Prozent von ihnen steht heute schon fest, dass sie stärker als bisher die kollektive Gemeinschaft im Unternehmen stärken müssen, und das erst recht, wenn viele Mitarbeiter sich künftig nur noch über Video-Konferenzen anstatt am Kaffeeautomaten sehen. Konkret möchten 39 Prozent der befragten Führungskräfte ihre Mitarbeiter stärker motivieren und knapp ein Drittel will sich stärker den ganz individuellen Belangen einzelner Mitarbeiter widmen. Insgesamt möchten 47 Prozent der befragten Führungskräfte ihre Aufmerksamkeit künftig stärker darauf richten, ein echtes Vorbild für die Mitarbeiter zu sein, indem sie sie besser betreuen und ihnen Freiräume zugestehen, die sie brauchen, um ergebnisorientierter als noch vor Corona zu agieren.

Tipps für die Mitarbeiterführung im Remote-Modus

Ich möchte Ihnen nun noch ein paar Tipps mit an die Hand geben, wie Sie als Führungskraft Ihren Mitarbeitern ein guter Vorgesetzter sein können.

  1. Führen Sie Ihre Mitarbeiter in die Eigenverantwortung
  2. Denken und führen Sie ergebnisorientiert
  3. Gestalten Sie die Motivation Ihrer Mitarbeiter und Kollegen individuell
  4. Sprechen Sie die Befindlichkeiten der Mitarbeiter aktiv an
  5. Kommunizieren Sie sinnvolle Entlastungskonzepte

In den nächsten Wochen werde ich das Thema nochmals genauer behandeln und Ihnen zu diesen fünf Punkten konkrete Handlungsvorschläge geben.

Remote Work & Mitarbeiterführung
Mitarbeiterführung ist auch im Rermote-Work-Modus möglich. Quelle: iStock / pixelfit

Quelle Titelbild: iStock / bernardbodo

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